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Rafaela Weinz (September 2003):

Wie Schule erzieht. Der Geheime Lehrplan

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung: Siegfried Bernfelds „Geheime Kräfte“

II. Formen der Unterrichtsforschung

a) Unterrichtsforschung im Auftrag der Organisation Schule

b) Gegentraditionen in der Unterrichtsforschung

III. Der heimliche Lehrplan

1. Reform der Schulorganisation

1.1 Ein Beispiel der Organisation des Schulalltags

1.2 Mehrschichtiges Lernen

2. Anthropologie der bürgerlichen Gesellschaft

2.1 Regeln im Klassenzimmer und der Bezug zur Gesellschaft

2.2 Rauschen

2.3 Sozialintegrativer Unterrichtsstil

2.4 Schule vermittelt Normen und Werte der Gesellschaft

3. sozialistische Kampfstellung gegen die bürgerliche Gesellschaft

3.1 Unterschiede zwischen Schülern unterschiedlicher sozialer Gruppen

3.2 Siegfried Bernfelds Grenze der Erziehung

IV. Nachwort

Einleitung: Siegfried Bernfelds „Geheime Kräfte“

Siegfried Bernfeld befasst sich im ersten Kapitel „Von der Erziehung“ seines 1925 erstmals erschienen Buches „Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung“ mit dem Problem des Verhältnisses von Erziehung, Schule und Didaktik. Vom Lehrer verlangt das Schulprogramm „die Erziehung zum sittlich-religiösen Menschen – und zählt dann die Fächer und den Stoffplan auf.“1 Die Fragen sind nur: Wie geht so eine Erziehung zum sittlich-religiösen Menschen von statten? Wer entscheidet, was sittlich-religiös ist und was nicht? „Die Didaktik ist die Anweisung für diesen Beruf, ist Berufslehre. Ganz anders die Erziehung. Sie liegt auch nicht zum geringen Teil bei einer Berufsgruppe.“2 Nach Bernfeld verlangt die Schule vom Lehrer in erster Linie Erziehung seiner Zöglinge und in zweiter Linie dann die Bildung von Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen, u.a. Das Problem liegt seiner Meinung nach darin begründet, dass sich die Berufslehre, die Didaktik nur mit der zweiten Aufgabe des Lehrers befasst, nämlich mit der Frage, wie er den zu lernenden Stoff den Kindern nahe bringt. So kann der Lehrer seiner ersten Aufgabe nicht gerecht werden. Ein weiterer Grund, weshalb die Aufgabe des Erziehens vom Lehrer nicht erbracht werden kann, ist der, dass das Resultat des Erziehens nicht prüfbar ist, da es kein Maß für die Erziehung eines Kindes gibt, wohingegen das Prüfen von fachlichen Leistungen wie Lesen und Schreiben durch Tests gewährleistet werden kann3.

Nun stellt sich die Frage, wer in der Schule die Erziehungsarbeit leistet, wenn der Lehrer nicht erziehen kann. „Im Laufe der letzten Jahrhunderte entstand durch fortgesetzte Um- und Neubildung ein System von gesellschaftlichen Einrichtungen, dessen Zweck der Unterricht der Kinder ist: das Schulwesen, eine breite und komplizierte Institution, ein System von Einrichtungen mit seinen bestimmten Prinzipien und Strukturen.“4 Eben diese „Schule – als Institution – erzieht.“5 Sie ist damit eine der wichtigsten Institutionen der Gesellschaft, denn sie macht aus jeder Generation das, was sie heute ist6. Bernfeld spricht in diesem Zusammenhang von „geheimen Kräften“7, von denen wir nicht wissen, wo überall und wie viel sie die Bildungs- und Erziehungsprozesse der Gesellschaft beeinflussen und welchen Stellenwert die Schule in dem System einnimmt.

Bernfeld beschreibt hier das Phänomen, was in den 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts unter dem Stichwort geheimer Lehrplan oder heimlicher Lehrplan viele Diskussionen hervor brachte. Er selber beschränkt sich in seinem Buch „Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung“ in diesem Zusammenhang allerdings auf die gesellschaftliche Grenze der Erziehung und geht nicht weiter auf die Einflüsse der Institution Schule auf die Erziehung an sich ein. Die Frage, wie die Schule erzieht und welche Formen der schulischen Erziehung es gibt, möchte ich hier im Weiteren mit Hilfe anderer Autoren erläutern.


Der gesamte Text steht hier als PDF zum Download zur Verfügung.



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